Man sollte annehmen, dass nach nun zwei Jahrzehnten Internet und gut mehr als einem Jahrzehnt boomendem Online-Handel auch die letzte Internet-Agentur in Hintertupfing wissen müßte, dass eCommerce und Online-Handel etwas für Experten ist und eben nicht von jedem Webdesigner schnell mal erstellt und projektiert werden kann. So dringend die Antworten auf das Sterben der Innenstädte auch sind, so wichtig ist dieses Thema gleichermassen.
Zur Zeit versuchen sich alle möglichen Dienstleister, Grossunternehmen, Verlage und viele andere daran, lokale Online-Marktplätze zu etablieren. Neben erfolgsversprechenden Ansätzen gibt es auch immer wieder Projekte, wo die Betreiber scheinbar die Regeln des Online-Handelns neu erfinden wollen und darauf hoffen, dass Nutzer doch noch ihr Nutzerverhalten den Bedürfnissen der Agenturen anpassen.
Das durch die IHK Lüneburg-Wolfsburg hochgelobte Projekt kaufhaus-lueneburg.de ist so ein Marktplatz, der schon im Ansatz zu scheitern droht, weil dort schlicht jedes Nutzerverhalten, jeder notwendige Mehrwert für den Nutzer ignoriert wird. Dabei gab es regional ganz nah im gleichen IHK-Bezirk mit cellecity.de bereits Jahre vorher ein ähnliches Projekt, das glorreich gescheitert war.
Das nun die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg der denkbar schlechteste Innovator für den Online-Handel ist nicht überraschend. Die IHK ist immer noch der Meinung (Editorial Unsere Wirtschaft 9/2014), dass tatsächlich der Einzelhandel „mehr zu bieten hat“ als „das Internet“. Man ist fast an das „Neuland“ unserer Kanzlerin erinnert. Dass Einzelhandel und Online-Handel längst eines sind, scheint jeder Beteiligter bei der IHK stets zu ignorieren.
Nun machen die Lüneburger Betreiber die gleichen Fehler, wie Jahre zuvor der regionale Citypartner in Celle: Es fehlt der Mehrwert für den Nutzer. Über Karten, Anfahrtskizzen und Adressen kommt die Plattform nicht hinaus. Wer lokale Shopping-Apps anbietet, hat die technische Konvergenz der Medien nicht verstanden. Allenfalls verirrt sich mal ein Bürger auf die Seite, weil er wissen will, wann verkaufsoffener Sonntag ist. Und wer, bitte schön, braucht denn Shoppingtouren-Anleitungen für Mutter-Tochter oder Vater-Sohn-Gespanne? Man hat den Eindruck, das der Betreiber sich über eCommerce lustig machen will. Mehr als lustig ist es am Ende dann auch nicht, sich anzuschauen, was kaufhaus-lueneburg so unter Marktplatz versteht.
Erklärt dem Nutzer nicht das Internet!
Der Nutzer braucht keine Hilfe, um zu verstehen, was er auf einem lokalen Online-Marktplatz sucht. Bietet dem Nutzer nicht laufend Dinge an, die er nicht braucht, nur weil sie schnell und simpel erstellt sind. Lokaler Internet-Handel mit dem Kanal des stationären Einzelhandels zu vernetzen ist mehr, als eine Webdesign-Bude zu beauftragen, Print-Flyer in Webseiten umzuwandeln. Dazu braucht es Experten im eCommerce und durchdachte Prozesse. Der lokale Einzelhandel, Tourismus und Dienstleister müssen mitgenommen werden, so wie alle anderen städtischen Akteure, damit ein lokal-konzentriertes Projekt auch tatsächlich das wird, was es im Ergebnis sein muss: Die Einstiegsseite in des Internet für die Bürger der Stadt.
Also, liebe Betreiber vom kaufhaus-lueneburg.de, Hausaufgaben machen, zuhören und viel lernen. Und vor allen Dingen eines begreifen, lieber nicht Nischen mit schlechten Webseiten belegen und so guten Projekten den Start schwieriger machen. Besser verzichten, wenn man es nicht kann, schlechte Seiten im Netz, die den Anspruch auf eine hohe lokale Verbreitung haben, aber über Termin- und Adresslisten nicht hinaus kommen, haben wir genug und nahezu peinlich wird es dann, wenn die vermeintlichen Unternehmervertreter der IHK Lüneburg-Wolfsburg solche Projekte auch noch als Leuchtürmen Raum geben im mitgliederfinanzierten Magazin „Unsere Wirtschaft“. AOL-Einwahl-CD trifft auf Datasette.
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