Leere Innenstädte, unzufriedene Verbraucher, schlechtes Sortiment und Abwanderung zum Internet, dazu eine Überalterung der Gesellschaft und veraltete Infrastrukturen, alles scheinbare Probleme, die nicht einfach zu lösen sind. Dabei sind dies nur Ergebnisse. Und anstatt dauernd an den Ergebnissen herumzudoktern und sich selbst zu verwalten, sollten wir beginnen, die Probleme zu identifizieren. Wir nehmen dazu einmal die Innenstadt Celle, es könnte aber auch Wolfenbüttel, Hameln oder Flensburg sein.
Problem 1: Keine Gründertätigkeit
Unternehmer sein und Unternehmer sein wollen, sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Die Gründungen gehen im Bundestrend zurück und natürlich bleibt davon auch die Kleinstadt nicht verschont. Wo sieht man es zuerst? In der Kleinstadt, wo eben kleinteiliges Sortiment mit geringen Flächen überwiegend historisch angesiedelt ist.
Unternehmer sein, ist unattraktiv in Märkten, wo es ausreichend attraktive Jobangebote gibt. Unternehmer sein erfordert Ausbildung und Know-How. Unternehmer sein erfordert aber auch Durchsetzungsfähigkeit und Disziplin. Alles Eigenschaften, die heute wenig gefördert werden und insbesondere orientierungslose junge Menschen kaum ansprechen. Dabei sein ist hipp, erster sein eher nicht so.
Gegründet wird nur dort, wo man sich als junger Mensch wohlfühlt, und nicht dort, wo die Ladenmiete am günstigesten ist. Wohlfühlen hat heute aber auch etwas mit einem Wir-Gefühl zu tun. „Wir in Celle“ gibt es so nicht. Die Menschen scheinen ihre Stadt zu hassen, Leben im Sommer in der Stadt findet praktisch nicht statt, die Gastronomie ist völlig überaltert, neue gastronomische Betriebe werden formal platt gemacht, attraktive coole Wohnungen gibt es nicht. Wer will in einem solchen Klima den schwierigsten Schritt in seinem beruflichen Leben gehen und ein Unternehmen gründen?
Problem 2: Formale Reglementierung
Wenn man gründet, sucht man Hilfe. Man sucht Hilfe bei Menschen, die sich auskennen. Diese Hilfe gibt es schlicht nicht und man muss auch nicht so tun, als könnte dies von einer Institution geleistet werden.
Die IHK belegt seit Jahren die Nische Existenzgründung. Alles, was irgendwie gründen will, wird zur IHK geschickt. Aber niemand fragt sich, warum denn dann nicht gegründet wird. Ganz einfach, in der IHK sitzen keine Unternehmer. Dort gibt es kritische Bremser, Formalienreiter und abhängig Beschäftigte, aber keinen Unternehmer. So lange die IHK jedoch mit geballter Marktmacht etwas anbietet, was sie selbst nicht leisten kann, kann schlicht auch keine andere fähige Organisation, wie z. B. Business Angel, Fuss fassen.
Bei Existenzgründung ist betriebswirtschaftliches und rechtliches Wissen notwendig. Rechtlich dürfen jedoch nur Rechtsanwälte beraten. Das Rechtsdienstleistungsgesetz hat diesen den Markt gesichert. Das Ergebnis ist schlicht, dass kleine Existenzgründer sich nicht rechtlich beraten lassen und von einer Falle in die andere stolpern. Unternehmen müssen diese rechtliche Beratung leisten können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden.
Bilanzieren darf nur der Steuerberater. Bei Existenzgründern gibt es mit der neuen Unternehmensform UG den natürlichen Bedarf, finanzielle Risiken abzusichern. Sie müssen dafür aber eine Buchhaltung betreiben, die deutlich mehr Aufwand erfordert, als eine Einnahme-Überschuss-Rechnung. Leisten darf dies kein freier Buchhalter, obwohl dieser das problemos könnte. Den Markt haben die Steuerberater unter sich aufgeteilt und geben nichts mehr her. Ergebnis: Volle Haftung und Risiko bei der Gründung oder viele 1000-Euro vom Gründungskapital für Buchhaltung zur Seite legen.
Problem 3: Banaler Müll
Dieser Punkt soll nur exemplarisch belegen, wie verrückt diese kommunale Welt ist. Sie eröffnen einen kleinen Laden in der Innenstadt. Sie wissen, dass Sie wenig Geld haben, bringen Ihren Müll fein nach Hause jeden Abend – es ist ja nicht viel – eine alte Zeitung, 1 Karton und 2 Briefumschläge und 2 alte Kaffeekapseln. Sie haben eine Niederlassung. Es meldet sich der Abfallzweckverband oder wie es bei Ihnen heisst und er stellt erst einmal 3 Mülltonnen auf. Sie wissen gar nicht, wo Sie diese hinstellen können. Die Tonnen haben Sie. Bezahlen werden Sie auch nicht nach Gebrauch, sondern mit einer Mindestgebühr. Das macht gründen teuer und unflexibel.
Wer es nicht glaubt, ein 2. Beispiel: Sie haben ein Home-Office in der Fritzenwiese und ziehen in die Schlepegrellstrasse um. Nun ist Ihr Home-Office in der Schlepegrellstrasse, Luftlinie gut 100 Meter von Ihrer alten Wohnung. Dafür müssen Sie Ihr Gewerbe abmelden und den neuen Standort als Gewerbe wieder beantragen. Das ist verrückt und typisch deutsch. Niemand will in einer solchen Stadt gründen.
Problem 4: Steuer
Nun haben Sie es geschafft. Sie haben eine kleine UG (haftungsbeschränkt) gegründet. Damit ist Ihr kleines Unternehmen eine Kapitalgesellschaft. Sie machen im 1. Jahr – zum Glück – einen kleinen Gewinn von 7.000 EUR. Sie brauchen dieses Geld, um im nächsten Jahr einigermassen ruhig schlafen zu können. Die Stadt und der Staat hat aber kein Interesse daran, dass Sie ruhig schlafen können.
Man wird Ihnen auf den Gewinn die Gewerbesteuer legen, dann kommt der Solidaritätszuschlag und darauf noch die Körperschaftssteuer. Am Ende sind nur noch 3.500 EUR von Ihrem Erfolg übrig. Sie freuen sich. Freuen Sie sich nicht: Sie haben Gewinn gemacht, niemand will das. Man wird Ihnen für das nächste Jahr einen Vorauszahlungsbescheid für die Gewerbesteuer, Soli und Körperschaftssteuer übersenden. Dabei werden die 3.500 EUR in 4 gleiche Raten aufgeteilt, man will Sie ja nicht überfordern.
Unternehmer kann und will heute jedoch nur jemand sein, der ähnlich einem abhängig Beschäftigten nur ansatzweise eine kleine Sicherheit hat. Eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit gibt es für Unternehmer nicht, auch keinen Kündigungsschutz, private Rentenversicherungen sind nahzu tot. Also muss es eine betriebliche Rücklage sein, die dies im Ansatz absichert. Dies wird aber die Kommune und das Finanzamt förmlich „auffressen“. Unternehmer sein heisst also, ohne Sicherheit leben zu lernen. Das ist unattraktiv und gut ausgebildete junge Menschen werden sich in diese Armutsfalle nicht begeben.
Wir können diese Punkte unendlich weiterführen. Sie sollen nur zeigen, dass die kommunale Politik nicht im Ansatz erkannt hat, warum es Leerstände in den Innenstädten gibt. Wir werden mit diesem Blog immer und immer wieder Anregungen dazu geben, was getan werden kann, um Einzelhandel, Innenstadt, Leben in der Stadt und Internet zu vereinen. Alles hängt zusammen und voneinander ab. Und es ist nicht damit getan, einen städtischen Berater in die Innenstadt zu setzen und Altbausanierung zu betreiben oder Saturn an der Peripherie anzusiedeln. Die Stadt muss lebenswert sein und dabei kommt es auch auf die kleinen Dinge an. Mehr als so mancher Kommunalbeamter und Stadtrat meint.
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