Einzelhandel & Internet Stadtentwicklung

Die Atalandisierung der Innenstädte – wie der Einzelhandel die Städte blockiert

8. März 2018
Wenn es nach dem Marktplatz-Entwickler Atalanda geht, sollen aus den Innenstädten bald überall digitale Einzelhandels-Online-Citys werden. Die lokalen Wirtschaftsförderungen springen hilflos auf den Zug auf und blockieren damit die Digitalisierung der Innenstädte.

Unsere Innenstadt zu einer digitalen Einkaufsstadt zu entwickeln, hört sich auf den ersten Satz gut an. Der Logistiker und Marktplatz-Pionier Atalanda hat genau dieses mit Projekten wie onlinecity-wuppertal.de, mein-freilassing.de, mein-heilbronn.de und vielen mehr vor. Die Zahl dieser seltsamen einseitigen Online-Marktplätze ist kaum mehr zu zählen. Sie sollen die Antwort auf Amazon darstellen, so zumindest verstehen es überwiegend die Einzelhändler und offenbar auch die Presse. Die ersten sind bereits über ihr Haltbarkeitsdatum. Überall tauchen die Atalanda-Speaker prominent in den Kleinst-Stadträten und regionalen Unternehmervertretungen auf und berichten von ihren Erfolgen und auch davon, dass es für den Einzelhandel genau in dieser Stadt 5 vor 12 steht.

Natürlich ist der Einzelhandel schlecht aufgestellt. Viele Händler sind kaum digitalisiert, verfügen über kein Warenwirtschaftssystem und gerade in den kleinen Städten hat man von Online-Shops nur im Zusammenhang mit dem bösen Internet gehört. Atalanda leistet also eine längst notwendige Überzeugungsarbeit, oft gerufen von den hilflosen regionalen Wirtschaftsförderungen der Städte, die keine Ideen mehr haben und die verhindern wollen, dass die Innenstadt komplett leer gefegt wird. Dass es dazu ein Unternehmen wie Atalanda braucht, ist ausreichend traurig.

Ein regionaler Online-Marktplatz für den Einzelhandel suggeriert heimatshoppen und lokale Verbundenheit. Endlich hat man etwas, auf das man hoffen kann im Kampf gegen den Giganten Amazon. Und man hat dabei so vieles nicht verstanden. Mitleidig schaut der Bürger in Wuppertal, Wolfenbüttel und Heilbronn dem Atalanda-Schauspiel zu.

Amazon und Google spiegeln die Wirklichkeit. Sie sind keine Bedrohung.

Amazon ist genau wie Google nicht der Feind der Unternehmen, sondern ihr Spiegelbild. Es ist ein Service, der viel Reichweite bietet und tausende von deutschen Händlern verkaufen ihre Waren sehr erfolgreich über Amazon oder nutzen hervorragende Google-Rankings, um organisch die Produkte in den Suchergebnissen gut zu platzieren und sichtbar zu machen. Dazu muss man sich an Regeln halten. Und genau diese Regeln haben sich verändert. Es ist reine Faulheit und Bequemlichkeit – oft auch Überheblichkeit – des Einzelhandels gewesen, diese Veränderung in den letzten 20 Jahren nicht wahrgenommen zu haben und sich entsprechend platziert zu haben. Atalanda ist nun der notwendige Verwalter dieser Entwicklung, aber lange nicht das einzige Unternehmen, dass sich in diesem Umfeld positioniert.

Wir brauchen kein Einkaufszentrum. Wir sind Einkaufszentrum.

So gross-spurig treten die Wirtschaftsförderer und Oberbürgermeister der kleinen Städte heute auf. Die Bürger kaufen längst im Internet – oft auch lokal, wenn ein Angebot da ist und sind so unverschämt, auf ihren Bürgermeister nicht zu hören. Die Innenstädte veröden unaufhaltsam und das Geld fehlt zur Umsetzung neuer Ideen. Es bilden sich in den Städten Interessensgruppen – gerne Akteure genannt – die überwiegend aus lebensälteren Personen bestehen, die ihr Haupteinkommen vor vielen Jahren ganz ohne Internet verdient haben. Diese sollen nun die Städte digital und creativ voran bringen, weil man es versäumt hat, junge Menschen in der Stadt zu halten, modern auszubilden und den Zug ins digitale „Neuland“ – als unsere Bundeskanzlerin Merkel diesen fatalen Begriff prägte – vor vielen Jahren zu nehmen. Dabei werden wichtige Budgets und Ressourcen verbrandt und nach dem Scheitern ist ein erneuter Versuch oft ein hilfloses Unterfangen und nahezu kommunal nicht mehr möglich.

Atalanda produziert leere virtuelle Einkaufsstraßen.

Die Wirtschaftsförderungen bekommen den Auftrag, sich endlich um die Innenstadt zu kümmern und zu Besuch kommt dann nicht selten Atalanda, ein Unternehmen, dass den Zenit der technischen Entwicklung lange überschritten hat, die vor vielen Jahren erkannt haben, dass mit der Verbindung Logistik und Innenstadt Geld zu verdienen ist. Ein Unternehmen, dass Online-Marktplätze ohne jede Innovation und Emotion ausliefert, die alle gleich aussehen, massive Nutzbarkeitsfehler sowie grafisches Chaos aufweisen, meistens auch offensichtliche technische Fehler und nach viel Presseecho die bereitgestellten Online-Marktplätze für den Einzelhandel mehr oder weniger alleine zurücklässt. Das Ergebnis sind leere virtuelle Einkaufsstrassen, wie es tatsächlich in den Innenstädten im wirklichen Leben schon aussieht. Insofern spiegeln Atalanda-Marktplätze einmal mehr den Ist-Zustand wieder. Die Marktplätze formen ein Spiegelbild der eigenen Stadt, ohne dass irgendjemand einmal begriffen hat, wo eigentlich der Kern des Problems Innenstadt liegt.

Die Atalanda Online-Marktplätze haben massive handwerkliche Fehler. Das Konzept dieser Marktplätze ist längst überholt und dennoch hoffen so viele Wirtschaftsförderungen, dass dieser letzte Strohhalm irgendwie funktionieren wird. Dabei stehen wir in den Städten erst ganz am Anfang des Digitalisierungsprozesses und eben nicht an seinem Ende. Wir sind in der Nach-Atalanda-Zeit – die Pionierzeit ist vorbei, die Digitalisierung hält an.

Nur ein paar Zahlen, um ein kleines Drama zu verdeutlichen. Kai Diekmann sagt vor ein paar Tagen: „Die Zahl deutscher Facebook-Nutzer ist höher, als die Gesamtauflage aller Zeitungen.“ Im Klartext, will ich zur Zeit den Bürger erreichen, muss ich bei Facebook sichtbar sein.

  • Onlinecity Wolfenbüttel, gestartet 08. Mai 2015, 203 Facebook-Likes
  • Online City Wuppertal, gestartet 2014, 2139 Facebook-Likes

(Stand 08. März 2018)

Das Drama ist, die fehlende Sichtbarkeit in allen Kanälen, also nicht nur Facebook. Atalanda-Projekte sind nicht sichtbar, weil Sie dem Bürger kaum Nutzen geben. Sie sind nur für die Fachpresse sichtbar, für interessierte Händler. Sie erreichen aber weder den Bürger, noch den Nutzer, noch den Kunden. Atalanda-Projekte – mit Stand heute sind es offenbar 12 – scheitern finanziell und psychologisch in der Stadt und hinterlassen nur subjektiv einen guten Eindruck beim Einzelhändler und bei der Wirtschaftsförderung, die sich darüber freut, endlich einmal etwas getan zu haben. Ein finanzielles Controlling findet nicht statt oder wird nicht hinreichend veröffentlicht.

Warum erreicht ein Einzelhandels-Online-Marktplatz nicht die Zielgruppe?

Aus der Pionierperspektive der Jahre um 2010 heraus war der Ansatz, einen reinen Einzelhandels-Online-Marktplatz aufzubauen der richtige Weg. Die Märkte haben sich jedoch stark weiterentwickelt. Technologien halten in den Haushalten und den KFZs Einzug, von denen man 2010 noch kaum etwas wusste. Die Menschen werden hochgradig digital und digital-mobil. Ein reiner Online-Marktplatz für den Einzelhandel ist eine völlig veraltete Technologie. Wenn eine Stadt heute dafür Geld ausgibt, handelt sie hochgradig verantwortungslos und verschleudert das Geld des Steuerzahlers, um vermeintlich ein paar wenige Einzelhändler zu retten.

Amazon ist schon lange kein reiner Online-Marktplatz mehr. Es ist ein Ökosystem – vom Webhoster, über Logistiker bis hin zu Popup-Stores, Lebensmittel, Raumfahrt, Autobau sind die Aktivitäten des Unternehmens heute vielschichtig. Zu glauben, dass man mit einem simplen kleinen Einzelhandels-Online-Marktplatz irgendetwas im Wettbewerb gegen Amazon erreichen könnte, ohne selbst bei Amazon präsent zu sein, ist völliger vorsätzlicher Unsinn. Selbst Amazon geht weit über den Einzelhandel hinaus und nur dies erklärt auch den Erfolg.

Die richtige Antwort muss sein: Werde wie Amazon – regional, stark, verankert und sehr vielschichtig. Wir sind mittendrin in der Digitalisierung und sprechen wir über Innenstädte, sprechen wir schon lange nicht mehr nur über den Einzelhandel. Wir sprechen über ein lebenswertes Wohnen in der Innenstadt, über Gastronomie und Kultur, die durch die Digitalisierung beeinflusst und geprägt werden. Die Idee aus den 70ern, alle Innenstädte in Einkaufszentren umzubauen, ist zeitlich überholt und veraltet. Die Innenstadt selbst ist vielschichtig und viel mehr als eben nur Einzelhandel. Es müssen alle mitgenommen werden und zugleich muss man offen sein für Techniken, die wir heute gar nicht kennen.

Der reine Einzelhandels-Online-Marktplatz führt in eine dunkle Sackgasse.

Warum, wenn das Gesamtproblem der Innenstädte jedem deutlich ist, der einigermassen bei Verstand ist, versucht man die Innenstädte mit Atalanda-Konzepten zu retten? Es geht nur am Rande um den Einzelhandel. Diese Wirklichkeit wollen viele nicht wahrhaben. Die Innenstadt selbst muss sich digitalisieren. Touristische Angebote müssen wie kulturelle Events, Gastronomie, Arbeitsmarkt, Wohnen und Einzelhandel digitalisiert, vernetzt und sichtbar werden. Die Innenstadt als solche, muss als Gesamt-Ökosystem verstanden werden. Es geht um einen digitalen Masterplan für die Innenstadt und es geht nicht darum, ein paar Einzelhändler zu retten, die dann auf einer rosa-roten Einzelhandelsplattform isoliert sitzen.

Jede Stadt muss aus sich heraus einen digitalen Masterplan entwicklen und umsetzen. 

Die Städte sind mit diesen digitalen Stadtentwicklungskonzepten überfordert. Denn auch dort sitzen an den entscheidenen Positionen Menschen, die meistens für den Verantwortungsbereich überaltert sind, schlecht ausgebildet, gar nicht vorbereitet und selbst wenig Interesse an Digitalisierung oder Stadtentwicklung, die vom Idealbild der 70er Jahre abweicht, haben. Beauftragte Wirtschaftsförderer waren nie wirtschaftlich unternehmerisch tätig und in den IHKs sieht es meistens nicht anders aus. Die Fachkompetenz der vermeintlichen „Projektleiter“ auf städtischer oder lokaler Seite wird kaum hinterfragt.

Die Städte denken noch in Webseiten, kaum eine städtische Seite interagiert mit anderen Plattformen über das eigene Intranet hinaus. Erst Atalanda hat für den Bereich des Einzelhandels in Shop-Plattformen gedacht. Es gibt jedoch modernere Ansätze, die auch im Bereich der Unternehmensentwicklungen und eben auch Stadtentwicklungen in offenen Plattformen denken und die Städte wären gut beraten, in digitalen Plattformkonzepten zu arbeiten, um Sichtbarkeit und damit Reichweite zu erhalten. Tun sie dies nicht, wird neben dem Einzelhandelsproblem im nächsten Schritt ein Dienstleistungsproblem und ein Gastronomieproblem auftreten.

Wir wissen, wie diese lokalen Online-Plattformen, die zu vollständigen Marktplätzen werden und eben nicht nur singular zu Einhandelsrettungen, heute funktionieren müssen und wie diese aufgebaut sein müssen. Dennoch ist die Digitalisierung ein Prozess und eben nicht geeignet, in Projekten organisiert und abgeschlossen zu werden.

Insbesondere die kleinen Städte benötigen eigene lokal ansässige Dienstleister, die das Know-How vorhalten, solche digitalen Masterpläne zu entwickeln und umzusetzen, ohne dabei anschliessend die Stadt allein stehen zu lassen. Lokale Digitalisierung ist ein dauerhafter anhaltender Prozess, der aus der Stadt selbst herauskommen muss. Dazu gehört es auch, ganz konkret das Wissen von Frontend- und Backendentwicklern in den Städten zu halten und auszubauen, einen Stadtrat für Digitalisierung zu finanzieren und einen Beirat für Digitalisierung aufzubauen. Sich auf externe auswärtige Dienstleister zu verlassen, die keine Heimatverbundenheit und Ortskenntnisse vorweisen, führt in das Dilemma, das niemand will und bringt die Stadt nicht voran.

SchlagworteCelleEinzelhandelOnline-HandelSterben der Innenstädte

Über Immo W. Fietz

Immo W. Fietz, Jahrgang 1970, ist gelernter Programmierer, studierter Jurist und Betriebswirt sowie Sachverständiger für Neue Medien. Hier schreibt er als leidenschaftlicher eCommerce-Spezialist der ersten Stunde über tägliche Probleme im Online-Handel und der Verknüpfung von stationärem Handel mit dem Internet, lokale Marktplätze, Stadtentwicklung in der Digitalisierung und politische Rahmenbedingungen des eCommerce.

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