Einzelhandel & Internet Wir in Celle

Antwort: Lokale Marktplätze gegen das Sterben der Innenstädte

19. Februar 2015
Kleine Städte, wie Celle, kämpfen mit der Konkurrenz aus dem Internet, meinen immer wieder Einzelhändler, IHK-Handelsprofis und nicht wenige Stadträte. Wie kann das Sterben der Innenstädte aufgehalten werden. Eine erste aufmunternde Antwort.

Am Wochenende bin ich einmal wieder über eine Aussage eines Celler Werbefachmanns und Aushängeschildes des Celler Einzelhandels gestolpert: „Die Konkurrenz aus dem Internet wäre spürbar.“ Nicht schlecht. Die Leerstände werden seit Jahren mehr in den Innenstädten und nun wäre das auch im Umsatz in Celle spürbar. Unglaublich. So einfach, so dumm ist diese Aussage.

Getätigt wurde die Aussage von jemandem, der es wissen müßte. Einem Einzelhandelsprofi aus dem stationären Handel in Celle. Wir haben viele davon in den Städten unter 100.000 Einwohner und alle haben eines gemeinsam: Sie leben gedanklich in der Welt der 80er Jahre im Einzelhandel.

Der Einzelhandel hat zurecht Probleme

Eines vorweg: Der Celler Einzelhandel und der Einzelhandel in anderen kleinen 100.000-Einwohner-Städten, wie er heute vorhanden ist, stirbt zurecht aus. Das ist Marktgesetz und muss auch so sein. Wir leben nicht im Sozialismus, wo man schlechte Unternehmen am Leben halten muss. Der Service ist mies, die Warenverfügbarkeit schlecht und die meisten Verkäufer kurz angebunden und unfreundlich. Solche Läden müssen einfach sterben. Das ist das schöne an der Marktwirtschaft.

Schlecht am Sterben der Innenstädte ist, dass es unser aller Lebensqualität betrifft. Keine Läden mehr in den Innenstädten bedeuten auch keine Lebensqualität mehr. Alles wird sich erneuern, auch das ist ein Gesetz. Es wird also wieder etwas kommen. Die Frage ist nur, was. Am Ende ist das Sterben der Innenstädte auch eine grosse Chance und wir haben jetzt die Möglichkeit, etwas neues Schönes entstehen zu lassen und uns endlich von diesen unfreundlichen, wenig service-orientierten Unternehmen zu trennen. Es besteht also grundsätzlich Hoffnung.

Mit dem Internet habe ich nichts zu tun

Gerade in Celle spürt man es deutlich an jeder Ecke. Jede Aussage eines Händlers und vermeintlichen Einzelhandelsfachmanns geht in diese Richtung, wenn man sich über die Probleme der Innenstadt unterhält. Und genau aus dem Grund ist Celle ein gutes Beispiel, dass auch für Hameln, Goslar, Uelzen oder Lüneburg stehen kann. Das Internet ist etwas fremdes, da wird von der „Konkurrenz aus dem Internet“ völlig abstrakt gesprochen. Ja, liebe Leute, das sind Händler, wie Ihr auch und nicht wenige von denen haben sogar sehr erfolgreiche stationäre Läden, natürlich nicht in Celle, aber eben in Freising oder Heidelberg.

Der Internethandel scheint was ganz abstraktes zu sein. Da werden Arbeitsgruppen in der Industrie- und Handelskammer Wolfsburg-Lüneburg gebildet, Schutzschilde gefordert, Aktionen mit Kinder-Karussell und Clowns an verkaufsoffenen Sonntagen geplant und man will massiv gegen die Konkurrenz aus dem Internet Zeichen setzen. Was für ein dummer Unsinn, auch wenn ich Kinder-Karussels und Clowns absolut befürworte. Wir sollten mehr davon haben, aber nicht als Waffe gegen Umsatzschwäche, sondern aus ehrlicher Liebe zu unseren Kindern.

So, wie sich der Celler Einzelhandel, die IHKs oder die Stadträte verhalten, hat man sich auch verhalten, als das erste Auto durch die Strassen gefahren ist. Das ist, als wenn man ignorieren würde, dass es das Telefon gibt. Der Umgang der Städte mit dem Internethandel ist an Einfältigkeit und Inkompetenz kaum zu überbieten.

Wie macht man es richtig?

Wer nach dem Messias sucht, der nun die Antwort auf alle Probleme der Innenstädte hat, hat es nicht begriffen. Wir befinden uns in einem sich verändernden Markt. Niemand weiss, wie es sich verändern wird. Wir können uns die Marktgegebenheiten – nämlich die zunehmende Markttransparenz und die Serviceerwartung der Verbraucher – aber zunutze machen und wir wissen heute sehr genau, in welche Richtung der Zug fahren wird.

Das Internet ist ein Handelskanal, wie das Schaufenster in der Fussgängerzone. Als Einzelhändler muss ich diesen Kanal bedienen und damit auf die Markttransparenz antworten.

Wir brauchen Marktplätze, wo der Bürger sich informieren kann, wo Touristen Hotels buchen können, wo Karten für Abendveranstaltungen gekauft werden können, wo man die Warenverfügbarkeit der Einzelhändler abfragen kann, wo man informiert wird über das Leben in der Stadt, über Immobilien, Blitzer und Strassenbauarbeiten, wo Waren stationär gekauft und nach Hause gesendet wird, wo Bürger in Verbindung treten und Kompetenzen zusammengeführt werden. Wo ein Mehrwert und ein Nutzen für den Bürger entsteht.

Wie bediene ich den Kanal, wenn ich weder KnowHow noch Budget habe? Ich schliesse mich zusammen. Die Zukunft wird der lokale Internet-Marktplatz sein. Davon rede ich seit vielen Jahren. Es wundert mich eigentlich, dass es bundesweit dazu bisher kein wirklich funktionierendes Beispiel gibt. Die Ursache wird in der Zerstrittenheit der beteiligten lokalen Akteure liegen, die jedoch zwingend notwendig sind, um einen solchen Marktplatz erfolgreich zu machen, und an der Schwäche und fehlenden Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Erfolgsfaktoren für den lokalen Marktplatz

So ein Marktplatz muss lokal von Profis betrieben werden und eine Marktplatzgesellschaft muss sich zentral um die Fortentwicklung kümmern. Er muss mitten in der City angesiedelt werden und direkten Support für die Einzelhändler bieten. Die Vermarktung im Bereich Online-Marketing und lokalem Marketing muss dort zentral erfolgen und den Händler entlasten. Das Warensortiment der Händler muss verfügbar gemacht werden und über Insellösungen vernetzt werden und zwar so, dass der Händler über eine eigene corporate identity verfügen kann und selbst seinen Shop vermarkten kann, zugleich aber an den Marktplatz angeschlossen ist. Dieser Marktplatz ist wiederrum an Marktplätze wie Amazon und ebay angeschlossen. Der lokale Internet-Marktplatz muss Teil der Kommune und des städtischen Lebens sein und zugleich Zunutzen und Umsatz für den Einzelhändler generieren.

Defizit in den Kommunen

Fast alle Städte unter 100.000 Einwohner haben erhebliche Defizite in ihren Internetauftritten. Nahezu keine Stadt hat eine zentrale Anlaufstelle im Internet, wo der Bürger sich über alles, was in der Stadt passiert, informieren kann. Die Angebote beschränken sich entweder auf kommunale Leistungen oder auf presseähnliche Informationen. Damit wird einfach das Nutzerverhalten der Bürger der Städte ignoriert und zwar nicht, weil man es nicht umsetzen könnte, sondern, weil man meint, man braucht es nicht. Die Wirklichkeit wird schrecklich und einsam in den Innenstädten werden und wenn wir alle ehrlich zu uns selbst sind, wir spüren den Geist des Leerstandes mittlerweile an jeder Ecke und in vielen Städten.

Eine zarte Pflanze: Online City Wuppertal

Ich bin mir sicher, viele Städte treibt dieser Gedanke schon um. Allein die Umsetzung ist oft mangelhaft. So ist in Celle der Marktplatz cellecity.de grandios gescheitert und, hätte man damals einfach einen Fachmann beteiligt, hätte man gewusst, dass dies so nicht umgesetzt werden konnte und scheitern musste. In Wuppertal entsteht nun eine neue Shoppingwelt, auch nicht perfekt und auch heute weiss man schon, dass das nicht funktionieren kann, weil eben der „Portalgedanke“ – die Einstiegsseite im Internet für die Bürger Wuppertals aufzubauen – hier nicht umgesetzt ist.

online-city-wuppertal

Dennoch, der lokale Marktplatz wird auch in Städten wie Celle, nicht aufzuhalten sein. Die Frage am Ende ist nur, ob die Kommunen es schaffen, selbst Einfluss darauf zu nehmen und es in ihrem Sinne zu steuern, oder, ob diese, wie oft, einfach von der Entwicklung überfahren werden und am Ende mit einem ausserstädtischen Investor zu tun haben, der die Regeln vorgibt.

Ich würde mir für meine Heimatstadt Celle wünschen, dass sie die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennt und ein Leuchturm in Norddeutschland für Innenstadt-Entwicklung wird. Trennt Euch endlich von diesem Unsinn, dass das böse Internet Neuland ist. Es ist für die Bürger der Stadt Celle tägliches Leben, Einkaufswelt und Arbeitsinstrument. Es ist da und Teil unserer Gesellschaft. Wer permanent dagegen arbeitet, wird am Ende Rauchzeichen geben und mit Pferdefuhrwerken das Salz nach Hamburg bringen. Macht es Euch zu nutze, es hat viel zu bieten und ein Potential, das wir heute noch nicht im Ansatz kennengelernt haben.

In nächsten kleinen Blogbeiträgen werde ich weitere Kriterien für erfolgreiche Marktplätze darstellen und Lösungen für die Einbettung in die kommunale Infrastruktur beschreiben.

Auch lesenswert: David gegen Goliath. Wie der lokale Handel gegen Amazon kämpft.

SchlagworteCelleEinzelhandelIHK Lüneburg-Wolfsburg

Ãœber Immo W. Fietz

Immo W. Fietz, Jahrgang 1970, ist gelernter Programmierer, studierter Jurist und Betriebswirt sowie Sachverständiger für Neue Medien. Hier schreibt er als leidenschaftlicher eCommerce-Spezialist der ersten Stunde über tägliche Probleme im Online-Handel und der Verknüpfung von stationärem Handel mit dem Internet, lokale Marktplätze, Stadtentwicklung in der Digitalisierung und politische Rahmenbedingungen des eCommerce.

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