Wir in Celle

Das Sterben der Innenstädte und die Aufgabe der Kommune

12. Januar 2015
Im Blatt der IHK Lüneburg-Wolfsburg bin ich ausnahmsweise einmal in der aktuellen Ausgabe auf einen interessanten Artikel zu kommunalen Einzelhandelskonzepten gestossen. Die IHK fordert darin, dass Kommunen, wie die Stadt Celle, solche Einzelhandelskonzepte aufstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Vom Ansatz her besteht ein solches Einzelhandelskonzept aus einer gewichtigen Ist-Analyse zu Standortfaktoren – von Leerständen, über Bevölkerungsstruktur bis hin zu vorhandenem Sortiment, Sortimentmix und Wunsch-Sortiment – und einer daraus resultierenden Markt-Zugangsregelung für den Einzelhandel, die im Regelfall durch den Stadtrat beschlossen wird. Und genau dieser Eingriff in den Markt scheint zunehmend bei den Kommunen das Allheilmittel gegen das Sterben der Innenstädte zu sein.

Marktregulierungen im Einzelhandel waren immer problematisch

Eine Marktregulierung hat in der Regel das Ziel, beteiligte Unternehmen, die bereits Zutritt auf den Markt haben, vor Mitbewerbern zu schützen. Dies soll, so die Annahme, für ausreichend Umsatz sorgen und so die lokale Verfügbarkeit des Sortiments sicherstellen. Man will z. B. Einzelhandel an den Peripherien verhindern mit konkreten Ansiedlungsverboten und so den Einzelhandel in die Innenstädte zwingen. Gleichsam will man die Ansiedlung von grossflächigen Sortimentern verhindern.

Dies geht von der Annahme aus, dass man Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens nehmen könnte, wenn man es nur ausreichend schützt. Im Jahr 2015 ist dies eine irrige Annahme, denn zum einen werden unternehmerische Entscheidungen nicht auschliesslich durch Umsatz beeinflusst. Gerade bei kleinen Einzelhändlern spielt das familiäre Umfeld, das Wohlfühlen in der städtischen Infrastruktur und andere nicht-kaufmännische Faktoren eine deutliche Rolle.

Der Internethandel kann nicht durch die Kommune ausgegrenzt werden

Zum anderen wird dabei die Zunahme des Internethandels völlig aussen vor gelassen. Der Internethandel kann durch die Kommune nicht beeinflusst werden und nicht reguliert werden. Eine Vielzahl der lokalen Einzelhändler gibt jedoch bei Geschäftsaufgaben an, dass die zunehmende Konkurrenz im „bösen Internet“ schuld wäre, dass das Geschäft aufgegeben werden muss.

Tatsächliche Ursache von Geschäftsaufgaben

Tatsächlich liegt die Ursache von Geschäftsaufgaben jedoch in anderen Bereichen. Um nur wenige zu nennen: Ursächlich sind häufig nicht wettbewerbsfähige Sortimente, keine kaufmännischen und unternehmerischen Fähigkeiten der Händler, fehlende Entwicklungsstrategien, Überalterung des Inhabers und fehlende Nachfolge. Diese Liste kann fortgeschrieben werden und im Kern ist es nicht der Einzelhandel an sich, der stirbt. Dies ist nur die Folge von fehlendem kaufmännischen Wissen und unternehmerischen Handeln.

Aufgabe der Kommune

Die Industrie- und Handelskammer sieht die vornehmste Aufgabe bei den Kommunen, die Märkte zu regulieren und die Marktzutritte zu erschweren. Es ist schon mehr als erstaunlich, dies laufend von Unternehmervertretungen zu hören, die an sich im Kern der Sache ein Interesse an offenen Märkten haben muss. Wenn aber Wissen veraltet ist und die Angst gross, ist die Regulierung nahe.

Eine Kommune, wie die Stadt Celle, kann jedoch sich nicht einfach auf die Marktregulierung zurückziehen. Sie muss pro-aktiv tätig werden und zunächst ein infrastrukturelles Umfeld schaffen, in dem unternehmerisches Handeln – so banal es sich anhört – Spass macht. Einzelhändler werden nur in einem für sie liebens- und lebenswerten Umfeld kleine Geschäfte aufbauen. Dazu muss die Kommune einfache Signale setzen und die „Liebe zur Stadt“ fokussieren. Es gibt in Niedersachen wohl kaum eine Stadt, die so wenig von ihren Bürgern geliebt wird, wie die Stadt Celle – nicht zuletzt ist dies deutlich an der Struktur und Zustand von Bars, Cafes und Speiselokalen erkennbar. Genau daran muss eine Kommune arbeiten. Sie muss ein Miteinander unter den Bürgern schaffen und so die Abwanderung von unternehmerisch begabten jungen Menschen verhindern. In Lüneburg wird dies erfolgreich praktiziert. Die Stadt Celle krankt daran, dass es kaum mehr junge und mittel-alte Menschen gibt, die bedingungslos zu ihrer Stadt stehen und diese Stadt fortentwickeln wollen. So banal sich dies anhört, so wichtig ist diese These.

Mangelnde Lust, Unternehmer zu sein, kann die Stadt Celle nicht ausgleichen. Noch weniger kann sie direkt Einfluss nehmen, auf unternehmerische Fähigkeiten der Einzelhändler.

Sie kann ab sehr wohl, eine Infrastruktur schaffen, die die Stadt lebenswert macht und damit auch die Ansiedlung von kleinen Unternehmen möglich macht, die in der Regel Flächen anmieten, wie diese laufend in der Bergstrasse oder Schuhstrasse leerstehend zu finden sind.

Lebenswerte Innenstädte

Dazu ist es in Fachwerkstätten, wie der Stadt Celle, zwingend notwendig, Wohnen und Arbeiten zu vereinen. Genau dies ist der Unterschied zwischen Fackwerkstadt und betonierten gleichgemachten Innenstädten. Nur, wenn Leben in der Stadt ist, kann sich eine Stadt entwickeln. Anstatt also in die Märkte bei den Marktzutritte einzugreifen, muss die Stadt im Bereich der Eigentumsbildung und Wohnraumschaffung und -vermietung regulieren. Auch das ist ein Markteingriff, der jedoch weniger das freie Unternehmertum trifft und damit eine Ansiedlung verhindert, sondern zumeist Privatiers, die ein ganz eigenes Interesse an diesem Markteingriff haben müssen.

Marktanbindung Internet

Zudem muss die Kommune infrastrukturelle Massnahmen schaffen, um Märkte zu verbinden. Kann eine Kommune selbstredend nicht auf den Absatzkanal Internet regulierend eingreifen, so muss sie dafür sorgen, dass dieser Absatzkanal nicht isoliert neben der lokalen Einzelhandelsentwicklung steht. Dazu gibt es viele technische und infrastrukturelle Ansätze, die gedacht werden müssen und mit Pionierarbeit umgesetzt werden können. Allein fehlendes Know-How seitens der Kommune kann diese nicht davon entlasten, wenn auf der Gegenseite das Sterben der Innenstadt auf dem Tagesplan steht.

Dieses Blog wird sich in zukünftigen Beiträgen mit dem Thema Innenstadt-Entwicklung und Konkurrenz aus dem bösen Internet auseinandersetzen und Wege aufzeigen, die Einzelhändler und Kommune gehen können, um einen lokalen Markt zu erhalten und fortzuentwickeln, ohne dabei Marktzutritte verhindern zu müssen.

Weitere Informationen dazu, wie die IHK Lüneburg-Wolfsburg sich Einzelhandelskonzepte vorstellt, finden Sie hier.

SchlagworteCelleEinzelhandelIHK Lüneburg-Wolfsburg

Ãœber Immo W. Fietz

Immo W. Fietz, Jahrgang 1970, ist gelernter Programmierer, studierter Jurist und Betriebswirt sowie Sachverständiger für Neue Medien. Hier schreibt er als leidenschaftlicher eCommerce-Spezialist der ersten Stunde über tägliche Probleme im Online-Handel und der Verknüpfung von stationärem Handel mit dem Internet, lokale Marktplätze, Stadtentwicklung in der Digitalisierung und politische Rahmenbedingungen des eCommerce.

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