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7 Thesen warum lokale Online-Marktplätze scheitern

23. Februar 2015
Lokale Online-Marktplätze sind das neue grosse Ding im Internet-Handel. Derzeit sind überwiegend die grossen Verlage dabei, sich auszuprobieren und Startups versuchen lokal eine der letzten Nischen im Internet für sich zu erobern. Dabei ist die Idee nicht neu.

Ungefähr so lange es das Internet gibt, gibt es auch Versuche lokal-bezogene Webseiten, Handelsplätze, Portale in allen Größenordnungen zu etablieren. Manchmal sind diese erfolgreich, manchmal nicht. Erfahrungen gibt es hinreichend in nahezu allen Branchen für lokal-bezogene Internetangebote. In den Metropolen sind um solche Webseiten ganze Unternehmen entstanden, es wurde sich verspekuliert (berlin.de) und viel Geld verbrandt. Die Branche gibt jedoch vor, daraus gelernt zu haben.

Spätestens seit dem der Druck der überregionalen Marktplätze, wie amazon und ebay, auf den stationären Handel spürbar ist, müssen die lokalen Einzelhändler handeln.

Aktuell versuchen sich wieder die grossen Verlage an Modellen, bundesweit solche lokalen Marktplätze – überwiegend in grossen und mittleren Städten – aufzubauen. Die Themen sind meistens Lebensmittelhandel. Online-City Wuppertal geht noch einen Schritt weiter und will alle Handels-Segmente ansprechen und ein Einhandelsportal mit lokalem Bezug aufbauen. Dennoch wiederholen sich merkbar die gleichen Fehler immer wieder. Die Agenturen schein nicht dazuzulernen oder die neuen Unternehmer/innen haben zu wenig Erfahrung, um erfolgreich solche Marktplätze zu etablieren.

Werfen wir einen Blick auf die häufigsten Fehler lokaler Online-Marktplätze.

These 1: Kurzfristiger Erfolg ist möglich.

Online-City Wuppertal hat es scheinbar begriffen, lokal ist man nur mittelfristig erfolgreich und so teilt die Geschäftsführung auch mit, dass frühstens in 2 Jahren das umgesetzt werden sein wird, was man derzeit plant. Zu glauben, man baut ein Portal auf und es wird dann schon in kurzer Zeit Erfolg bringen, ist naiv. Insofern sind Marktplätze kaum geeignet als kurzfristige Spekulationsobjekte.

These 2: Mit wenig Kapital kann man starten.

Ein lokaler Marktplatz ist keine klassische Webseite eines Unternehmens. Es gibt auch keine To-Do-Liste „so baue ich einen Marktplatz“. Das Marktplatz-Projekt ist ein komplexer Prozess mit vielen Akteuren. Der Profit entsteht nach 3 oder 4 Jahren. Bis dahin muss ein Marktplatz mit ausreichend Kapital ausgestattet sein, um innovativ frei denken und handeln zu können.

These 3: Ohne lokale Verankerung geht es.

Ein lokaler Marktplatz gehört ins Zentrum der lokalen Akteure. Der absolut zwingende Lokalbezug und das Tragen des Projekts durch lokale Akteure ist notwendig, um den Marktplatz zum Erfolg zu führen. Insofern sind externe Investoren per se schon zum Scheitern verurteilt, wenn es ihnen nicht gelingt, sich lokal Vorort zu positionieren und akzeptiert zu werden.

These 4: Der Marktplatz kann als Nebenprojekt aufgebaut werden.

Egal, welche Größenordnung der Marktplatz haben wird, die lokale Akzeptanz erfordert viele Gespräche, Einbindungen und die Mitnahme der lokalen Akteure. Das ist ein Vollzeitjob und kein Nebenprodukt einer Agentur oder eines Dienstleisters. Ein Nebenprojekt würde der Sache nicht gerecht werden und der Funktion, die ein Online-Handelsplatz lokal heute haben muss, als Schnittstelle zwischen Einzelhandel und Bürger.

These 5: Ohne Präsenz des Marktplatzbetriebs geht es.

Die meiste Einzelhändler und lokalen Akteure haben wenig bis keine Internet-Erfahrung. ERP-Systeme sind meistens nicht im Einsatz und die eigenen Internetauftritte gehen kaum über „Hallo-hier-bin“-Seiten hinaus. Beratung und Präsenz Vorort ist zwingend notwendig – und zwar im Herzen der City – um als Ansprechpartner und Problemlöser wahrgenommen zu werden und das Projekt nach vorne zu tragen.

These 6: Die Kommune bleibt aussen vor.

Die Kommune hat idealerweise ein Einzelhandelskonzept für die City. Im Rahmen dieses Konzepts werden auch rechtliche Vorgaben gesetzt und der Handel reglementiert. Die Kommune muss zwingend den lokalen Internet-Marktplatz mit tragen und die Rahmenbedingungen schaffen.

These 7: Ein reiner Multi-Shop mit Produktangeboten ist ausreichend.

Ein Marktplatz lebt von Diversifikation. Wie im wirklichen Leben, treffen hier Angebot und Nachfrage aufeinander, aber auch Gerüchte und Nachrichten, genauso wie Events, Abendveranstaltungen und Freizeitangebote. Hotelbuchungen und Tourismus gehören zu einem solchen Marktplatz, wie Adressen von Notdiensten und Produktangebote mit Service des lokalen Einzelhandels. Der Mehrwert für die Nutzer entsteht nicht durch das reine Shoppingerlebnis, das bei amazon und eBay bereits ausreichend vorhanden ist, sondern durch die lokale Verbindung zum eigenen Lebensumfeld.

Diese Thesen sind nur Denkanstöße und die Thesenliste kann nahzu beliebig fortgeführt werden. Im Ergebnis scheint jedoch eines festzustehen: Ein lokaler Online-Marktplatz muss in der City verankert sein, von den Händlern getragen werden, die Einstiegsseite in das Internet für die Bürger anstreben und starke Unterstützung aus Politik, Wirtschaft, lokaler Presse und Tourismus haben. Sind diese Rahmenbedingungen nicht gegeben, versucht man ein Portal von aussen in die Stadt zu bringen, ist das Projekt von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Insofern stellt sich auch die Frage, inwiefern Projekte wie Online-City Wuppertal überhaupt reproduzierbar sind. Im Kern muss jede Stadt mit den eigenen örtlichen Begebenheiten einzeln betreut werden und das Projekt muss stark darauf abgestimmt werden. Das macht den lokalen Marktplatz im Kern zu einem Projekt der lokalen Akteure und nicht externer Startups oder Agenturen.

Im Focus der Projektentwicklung eines lokalen Online-Marktplatzes muss also der modulare und lokal frei gestaltbare Rahmen liegen. Externe Unternehmen müssen ein Modell entwickeln, mit dem ein solcher Marktplatz mitten in der City profitabel etabliert werden kann. Und genau diese Frage wird Investoren abschrecken, in Projekte in Städten unter 300.000 Einwohner zu investieren, da die Arbeit vorort ein mühsamer Kennenlernen-Prozess ist und nicht selten aufgrund fehlender Sensibilität auf beiden Seiten scheitert.

Ãœber Immo W. Fietz

Immo W. Fietz, Jahrgang 1970, ist gelernter Programmierer, studierter Jurist und Betriebswirt sowie Sachverständiger für Neue Medien. Hier schreibt er als leidenschaftlicher eCommerce-Spezialist der ersten Stunde über tägliche Probleme im Online-Handel und der Verknüpfung von stationärem Handel mit dem Internet, lokale Marktplätze, Stadtentwicklung in der Digitalisierung und politische Rahmenbedingungen des eCommerce.

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