Wir in Celle

Warum Beziehungen zwischen Unternehmen und Kommune scheitern: Gewerbesteuer

28. Februar 2015
Nicht selten sind Unternehmer/innen mit schier unglaublichen Sachverhalten konfrontiert, von denen Angestellte nur träumen können und die so gar nicht in das Bild des freien Unternehmertums in der Öffentlichkeit passen. Oft geht es dabei um Auseinandersetzungen mit Kommunalbeamten und noch öfter um den Stil, mit dem städtische Angestellte und Beamte mit Unternehmen umgehen.

stadtcelle-vollstreckungBesonders einprägsam ist mir der Umgang der Stadt Celle, einer Stadt mit unter 100.000 Einwohnern, mit der Gewerbesteuerbeitreibung. Es kann aber auch jede andere kleine Kommune für die Stadt Celle stehen. Sie ist nur beispielhaft genannt und das fleissige Zahlenliesschen Schiefke, Pleitz, Primke und Co. gibt es in der Form auch in anderen Kommunen. Dort heissen sie anders, sie verhalten sich nur selten anders.

Die Stadt Celle hat kein Geld mehr

Die Stadt Celle hat, wie viele Kommunen, das Problem: sie ist pleite. Man könnte meinen, nun geht man pfiffig mit dem Problem um, schafft ein Klima von Harmonie mit der Zielgruppe, die dafür massgeblich sorgt, dass eine Kommune wie Celle eben nicht pleite ist, den Unternehmen, und die Probleme lösen sich fast selbst. Nicht so in der Juristenstadt Celle.

Es gibt viele Gründe, warum Spannungen zwischen Kommune und Unternehmen auftreten und meisten geht es ums Geld. Nein, es geht fast nur ums Geld. Wenn die Kommune sparen muss, hat sie eines zu wenig, Geld und zwar von der Art Geld, die durch die Gewerbesteuer direkt in die Kommunalkasse fliesst. Unternehmen wollen naturgemäß davon wenig abgeben. Das gilt aber nicht für alle Unternehmen.

Der Unternehmenstypus ist entscheidend für die Kommunikation

Abhängig davon, ob ein Unternehmen gerne Gewerbesteuer zahlt oder nicht, ist der Typus Unternehmer, der hinter dem Unternehmen steht. Die Stadt Celle ist wesentlich geprägt von kleinen Familienunternehmen, immer weniger stationärem Einzelhandel und überwiegend stark heimatverbundenen Unternehmen, die in der Sache gerne die Kommune stützen, selten Steuern schulden, wenig Steuerhinterziehung begehen. Diesen Unternehmen muss man als Kommune jedoch etwas bieten, wenn man an ihr Geld will.

Der Deal ist klar beim Einzelhandel: Die Kommune schafft den Rahmen, in dem sich Handel erfolgreich bewegen kann. Als Gegenwert erhält die Kommune die wichtige Gewerbesteuer von dann erfolgreichen Unternehmen, die auf diesem Markt gewinnbringend handeln können. Nun platzt aber der Deal. Die Kommune leistet schon lange nicht mehr das, was stationärer Einzelhandel, inhabergeführte Unternehmen kommunal berechtigt einfordern. Der Markt bricht weg, der Umsatz geht damit auch. Es bleibt Frust auf beiden Seiten.

In der Stadt Celle reagiert man darauf recht rigoros. Sind die Kassen leer, müssen nur die Daumschrauben stärker angesetzt werden. So sind die Verwaltungsmitarbeiter Schiefke, Pleitz und Co. massiv dabei, ihre Drohschreiben zu säumigen Gewerbesteuerzahlern zu verschärfen, die Fristen der Zahlungen zu verkürzen, Hexenverbrennung und Händeabhaken (Vorsicht: Satire!) werden mit aufgenommen und ganz schnell ein Klima geschaffen, das fern von jeder Kommunikation ist und, wofür sich jeder Einzelhandelskaufmann im 1. Ausbildungsjahr in Grund und Boden schämen müßte. Scham kennt die Stadt Celle nicht.

Fall: Gewerbesteuerveranlagung mit 3 Bescheiden für 3 Jahre in 2 Monaten

Konkret: Ein kleines Celler Unternehmen legt im Oktober 2014 fristgerecht die Bilanz für 2013 vor, wird zur Gewerbesteuer im November für 2013 veranlagt. Natürlich läßt es sich die Stadt Celle nicht nehmen, sofort die Gewerbesteuer für 2014 in der Vorauszahlung (wir haben ja noch 2014 nicht abgeschlossen) zu bescheiden und natürlich – während der entsetzte Unternehmer sich noch im Widerspruch befindet – denn Unternehmen verdienen nicht jedes Jahr das gleiche – wird gleich Anfang Januar noch die Gewerbesteuervorauszahlung für 2015 veranlagt. 3 knackige Gewerbesteuerbescheide ohne Maßhalten in 2 Monaten, alle mit Bezug auf einen Gewinn, der Jahre zurückliegt.

Unternehmen verdienen eben jedes Jahr das gleiche.

Bei genauer Betrachtung ist diese Art der kommunalen Finanzierung mit der Kalkulation eines Haushalts auf der Basis von zwei Vorauszahlungen, deren Grundlage für die Berechnung des Gewinns zwei Jahre zurückliegt, ein enormes wirtschaftliches Risiko für die Stadt Celle und im höchsten Maße finanziell unseriös. Die Stadt Celle muss im Zweifel den Kredit, den sie hier für 2 Jahre eingefahren hat, zurückzahlen und eine Haushaltsplanung kann nur mit völlig veralteten Zahlen durchgeführt werden. Natürlich verfährt die Kommune so nicht, da bekanntermassen in Deutschland Städte nicht in die insolvenz gehen können. Am Ende bleibt nur die Frage, ob man von einer deutschen Stadt vor dem Hintergrund der Griechenland-Krise, nicht auch ein wenig mehr seriöse Kalkulation erwarten kann. Im schlimmsten Fall, wenn die Unternehmenseinnahmen in 2014 und 2015 einbrechen, ist die Gemeinde zahlungsunfähig und mit sehr hohen Gewerbesteuerrückzahlungen belastet und sie weiss es gar.

Dass natürlich zu viel geleistete Gewerbesteuer nicht verzinst zurückgezahlt werden muss, ist ebenfalls ein ganz interessantes Instrument der Kommunalfinanzierung und so mancher Bürgermeister macht davon rege Gebrauch zu Lasten der kommenden Generationen.

Was hätte die Kommune besser machen können?

Die Stadt Celle muss ein massgebliches Interesse daran haben, dass das Klima zwischen kleinen Unternehmerfamilien und der Kommune in Ordnung ist. Die grossen Aktiengesellschaften ziehen weiter, die Familien bleiben. Es sind nicht nur Steuerbürger, sondern auch Familien, die sich in vielfältiger Weise in der Stadt Celle engagieren und ohne die, die Stadt leblos und leer wäre.

Kommunikativ treffen jedoch Welten aufeinander: Die Stadt Celle, die in Feudal-Herrenart meint, pfiffig Steuern eintreiben zu können. Da verzichtet man schnell auf eine 2. Mahnung, die jeder Unternehmer immer stellen würde. Da stellt man Pfändungsbeschlüsse an einem Samstag dem Unternehmen zu, damit keinerlei Reaktionsmöglichkeit besteht. Die gesamte Trickkiste von Prietz (genderneutral ohne Vorname und Stellung) und Angelika Schiefke wird da bemüht. Tricks, die Unternehmen eben nicht ziehen können.

Und auf der anderen Seite steht das Unternehmen, dass sich noch im Kommunikationsprozess befindet, noch nie Steuern geschuldet hat und schlicht eine Erklärung erwartet. Der Verwaltungsmitarbeiter ist jedoch gewohnt, in solchen Verfahren keine Erklärungen abzugeben. Geld hat man zu haben, ist der alte Spruch am Amtsgericht Celle und so verhalten sich alle Mitarbeiter „stets korrekt“.

Die städtischen Mitarbeiter der Stadt Celle scheinen eben nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Es geht ums Geld, in einer Zeit, wo die Konzerne immer mehr haben und der Eindruck entsteht, beim kleinen Familienbetrieb wäre das nicht anders. Es wird nicht mehr unterschieden, zwischen Managertypen, die verwalten und austauschbar sind und Unternehmen, die ein Geschäft über viele Jahre selbst aufgebaut haben, immer wieder alles selbst bearbeitet haben, sich über jeden Steuerbescheid in dieser Manier ärgern können und das zurecht.

Wenn die Kommunen nicht mehr unterscheiden, zwischen Kleinstbetrieb, der im Zentrum der Stadt für Leben sorgt, und am Stadtrand ansässigen Unternehmen, die von austauschbaren angestellten Managertypen geführt werden, wird es eng mit der Gewerbesteuer in Celle. Es wird sie massgeblich schlicht von kleinen Unternehmen nicht mehr geben. Zugleich verlieren die Sozialkassen eine Beitragszahler, der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zu gleichen Teilen trägt und eine wichtige Säule des gesamten Sozialsystems ist.

Bei Gründer/innen ist die Angst vor dem Verwaltungsirrsinn groß

Wird das Bedürfnis nach Kommunikation durch die Kommune Celle nur passiv wahrgenommen, so ist das nur ein kleiner Teil des Frustes, dem heutige Gründer/innen ausgesetzt sind. Die jungen Gründer von heute sind es einfach nicht mehr gewohnt, mit einem Amtsschimmel aus den 50er Jahren umzugehen und sie wollen es auch nicht mehr. Heute hat das junge Unternehmen in einer technologisierten Welt die Wahl, ob es sich in Celle ansiedelt oder 50 km weiter weg in einem dynamischeren Umfeld.

Anstatt kommunale Unternehmensbeauftragte einzusetzen, die in Konfliktsituationen vermitteln, ein Klima des Willkommens schaffen und Ärgernisse aus dem Weg räumen und für Verständnis sorgen, geht die Stadt Celle regelmäßig den harten 50er Jahre weg. Die Folge ist, dass die Gründungstätigkeit abnimmt, die Innenstädte verweisen und sich niemand mehr „das antun will“, als Unternehmer sein Geld zu verdienen. Die Konzerne schreckt ein solches Verhalten wenig ab. Diese Karawane zieht weiter, wenn der Standort durch das Fehlen von Unternehmergeist nicht mehr attraktiv ist.

Es wird häufig gefragt, wo denn nun die Gründe liegen, für weniger Gründungstätigkeit. Das bedarf einer komplexen Antwort, dabei ist es auch ganz einfach: All die vielen kleinen defekten Bausteine, die wir identifizieren, bringen das Gebäude zum Einsturz. Fehlt nur ein Stein, bleibt der Bau noch stehen, kommen aber viele fehlende kaputte Steine dazu, stürzt es ein.

Die Stadt Celle wäre – wie viele Kommunen – also gut beraten, den Unternehmergeist zu fördern, eine Willkommenskultur zu schaffen und ihr Mahn- und Widerspruchswesen auf ein Mindestniveau der menschlichen Kommunikation anzupassen. Und – glauben Sie mir – das spricht sich rum, wenn eine Stadt nicht nur so tut, als dass sie freundlich wäre, sondern es auch tätsächlich lebt. Denn am Ende gibt es eine liebenswürdige Stadt nicht ohne Unternehmertum, welches in den Gassen Cafes betreibt, stationären Handel aufbaut, moderne Techniken und den Online-Handel in die Stadt bringt und die Stadt insgesamt lebenswert macht.

Ãœber Immo W. Fietz

Immo W. Fietz, Jahrgang 1970, ist gelernter Programmierer, studierter Jurist und Betriebswirt sowie Sachverständiger für Neue Medien. Hier schreibt er als leidenschaftlicher eCommerce-Spezialist der ersten Stunde über tägliche Probleme im Online-Handel und der Verknüpfung von stationärem Handel mit dem Internet, lokale Marktplätze, Stadtentwicklung in der Digitalisierung und politische Rahmenbedingungen des eCommerce.

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