Einzelhandel & Internet IHK Lüneburg-Wolfsburg Wir in Celle

Einzelhandel: Das Internet ist nicht der Genickbruch

22. Februar 2015
Während in den großen deutschen Metropolen längst verschiedenste neue Plattformen zum Internet-Vertrieb in klassischen Einzelhandelssegmenten Fuss fassen, lokale Händlerzusammenschlüsse Marktplätze aufbauen und neue Vertriebsformen testen, schlafen die Städte unter 100.000 Einwohner vor sich hin und beobachten abwartend den schleichenden Leerstand in den Innenstädten.

Ich nehme gerne beispielhaft die Stadt Celle, eine Stadt von unter 100.000 Einwohnern, um die Probleme des Einzelhandels im Umgang mit dem Internet auch konkretisieren zu können. Es kann aber auch jede andere deutsche Stadt dieser Größe genannt werden. Es gibt kaum Unterschiede.

IHK zum Thema Internet-Handel schlecht aufgestellt

Immer wieder ist „das Internet“ ein Fremdkörper und wird von den beteiligten Entscheidern, die sich mit stationärem Einzelhandel und seinen Problemen auseinandersetzen müssen, häufig auch öffentlich so bezeichnet. Dass man es wieder nicht verstanden hat, zeigt auch der Präsident der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg Kahle in einem Gespräch mit der Celleschen Zeitung. „Das Thema Internet ist nicht der Genickbruch“ titelt die CZ mit einer Aussage eines Mannes, der es an sich besser formulieren können müsste. Dass er es dennoch verstanden haben will, zeigt er dann mit einem Verweis auf Online-City Wuppertal (wir hatten das schon). Das Beispiel muss vermutlich ab sofort für alles und jedes Problem im Internet des Handels herhalten. Einfach, weil nichts anderes da ist, weil es niemand verstanden hat.

Dabei Klartext: Wuppertal ist eine 340.000 Einwohner Stadt. Das Portal ist derzeit weder profitabel noch erfolgreich. Es macht nur massenweise PR. Das Portal kann auch aus fachlicher Sicht nicht erfolgreich werden, weil es nicht den Charakter der Einstiegsseite ins Internet für die Wuppertaler Bürger hat.

Anstatt Probleme nun anzugehen, zu analysieren und endlich zu starten, verweisst die IHK dann auf einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Immobilienbesitzer.

Als Facebook kam, wusste ich, meine Generation ist vorbei. (Hubert Burda)

Und es kommt noch besser. Der neue Repräsentant des Einzelhandelsverbandes Harz-Heide Stachetzki trompetet gleich ins selbe Horn: Die Lösung ist mehr Fläche, Flächen zwischen 400 – 600 Quadratmeter sollen den Celler Einzelhandel retten und die Zentralisierung des Warenangebots die Bürger zwingen, die Innenstadt zu besuchen.

Online-Handel nicht Teil eines innerstädtischen Einzelhandels-Konzepts

Das Internet steht offenbar immer noch nicht auf der Agenda der Vertriebskanäle des stationären Einzelhandels in kleineren Städte. Dabei ist es so einfach, wie logisch. Die Verkaufsinkompetenz und Serviceunfreundlichkeit des Celler Einzelhandels hat dem starken transparenten Internet-Handel wenig entgegenzusetzen, wenn sich der stationäre Händler Vorort nicht bewegt.

Das Verbraucherbewusstsein für Service, Auswahl und Qualität ist nicht im gleichen Schritt-Tempo gewachsen, wie sich die Händler weiterentwickelt haben. Die Kunden sind längst bei Amazon angekommen und werden es auch nicht mehr verlassen, wenn der Celler Einzelhandel nicht ähnliches lokalbezogen bietet. Das werden mehr Verkaufsflächen nicht aufhalten und auch keine jahrzehntelange Monopolisierung der Innenstädte zu Einkaufstempeln. Es geht an der Realität einfach vorbei. Konsequent muss der Einzelhandel marktwirtschaftlichen Gesetzen folgend, einfach aussterben und bis auf wenige Grundversorger verschwinden.

Zudem wird die fortschreitende Technologisierung, neue Bezahlarten auf einen völlig veralteten Einzelhandel in Celle stossen. Die Abstände werden zwischen Einkaufsverhalten der Bürger und dem Celler stationären Handel so zwingend noch größer werden. Übrig bleiben dann nur technik-resistente Verbraucher und wenig technologiebegeisterte Rentner als Zielgruppe in den kleinen Innenstädten.

Celler Handel setzt auf 80er Jahre Ansiedlungsstrategien

In der Diskussion, wie der Handel in Celle belebt werden könne, war in den letzten Jahren auch immer wieder die Ansiedlung von Elektronikmärkten als Allheilmittel im Gespräch. Celle hat nun einen Saturn-Markt, der als Magnet für die City dienen soll. Dabei ist auch Saturn längst auf dem Weg, den stationären Handel mit dem Online-Handel zu vernetzen. Und auch die Verbundgruppe Expert setzt auf ein eigenes Online-Shop-Konzept, um Kunden die Möglichkeit zu geben, Waren online zu reservieren und lokal abzuholen. Die Chancen, die der Online-Handel bietet, sind also längst in den Konzernzentralen angekommen, die sich mit stationärem Handel in kleinen Städten aufgestellt haben.

Teil einer kommunalen Überlegung zu Einzelhandelskonzepten ist der Online-Handel in kleinen Städten jedoch seit Jahren nicht. Dabei ist der Zug fast abgefahren und die Märkte längst aufgeteilt. Die Nachfrage nach Verkaufsfläche längst nicht mehr da und ganz Celle bibert davor, was wohl passieren wird, wenn der ansässige Karstadt mit einer der größten zentralen Immobilien in der Stadt in die Insolvenz geht.

Vernetzung von stationärem Angebot und Online-Handel

Cross Channel ist die Stratgie, die immer mehr Händler fahren und auch der kleine stationäre Einzelhändler GF Boda Weinhaus berichtet von einem Umsatzzuwachs von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und, wie das so ist, weiss der Händler tatsächlich gar nicht, ob dies nun mit seiner Präsenz auf Online-City Wuppertal zu tun hat oder eben einfach nur mit seinen verstärkten Verkaufsaktivitäten.

Der Celler Einzelhandel agiert ebenso in der Steinzeit und genau dies sind die Probleme, die sich die IHK, die Kommune und die Einzelhandelsverbände vornehmen müssen. Einführung von ERP-Systemen sind da zwingende Grundvoraussetzungen, denn wir reden hier über Daten, die in vielfältiger Weise heute benötigt werden, z. B. um überhaupt einen Einzelhändler an einen Marktplatz anzubinden.

Die Betreiber von Online-City Wuppertal geben an, dass sie noch 2 Jahre brauchen würden, um überhaupt aus der Beta-Phase herauszukommen. Wie lange wird eine Stadt von 100.000 Einwohnern benötigen, den lokalen Handel an das Internet heranzuführen, wenn derzeit noch „das Internet kein Genickbruch“ ist und Gesetze dafür sorgen sollen, dass marktwirtschaftliche Regeln ausser Kraft gesetzt werden? Verlierer wird der Bürger sein, der in einer leerstehenden Innenstadt keine Lebensqualität mehr finden wird.

Ãœber Immo W. Fietz

Immo W. Fietz, Jahrgang 1970, ist gelernter Programmierer, studierter Jurist und Betriebswirt sowie Sachverständiger für Neue Medien. Hier schreibt er als leidenschaftlicher eCommerce-Spezialist der ersten Stunde über tägliche Probleme im Online-Handel und der Verknüpfung von stationärem Handel mit dem Internet, lokale Marktplätze, Stadtentwicklung in der Digitalisierung und politische Rahmenbedingungen des eCommerce.

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